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Bürgerbeteiligung

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1Formelle Bürgerbeteiligung – Rechtliche Grundlagen

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Die Beteiligung der Öffentlichkeit ist bei der Aufstellung bzw. Änderung von Bauleitplänen in § 3 BauGB i. V. m. § 4a BauGB geregelt. Die Vorschriften verfolgen einen doppelten Zweck: Zum einen soll die Öffentlichkeit so umfassend wie möglich über Ziel, Zweck und Inhalte einer von der Gemeinde beabsichtigten Bauleitplanung informiert werden. Zum anderen soll die planende Gemeinde frühzeitig die Konsequenzen der Planung aus Sicht der Bürgerinnen und Bürger kennen lernen. Die Regelungen zur Öffentlichkeitsbeteiligung legen dabei nur einen Mindeststandard fest. Bei bestimmten Vorhaben kann es sinnvoll sein, durch eine ergänzende informelle Bürgerbeteiligung ein qualitatives und quantitatives Mehr an Öffentlichkeitsbeteiligung durchzuführen, um eine angemessene Partizipation der Öffentlichkeit zu gewährleisten und die relevanten Belange nach § 2 Abs. 3 BauGB zu ermitteln (siehe im Folgenden Rn. 2 und 3 „Informelle Formen der Bürger­beteiligung“). Informelle Formen der Bürgerbeteiligung können die gesetzlich ­vorgeschriebenen Formen jedoch nur ergänzen und nicht ersetzen.

Die formelle Bürgerbeteiligung, die gesetzlich als Mindeststandard vorgeschrieben ist, läuft in zwei Stufen ab. Durch die frühzeitige Öffentlichkeitsbeteiligung (§ 3 Abs. 1 BauGB) sollen die Bürgerinnen und Bürger über die allgemeinen Ziele und Zwecke der Planung, in Betracht kommende Varianten und die voraussichtlichen Auswirkungen der Planung unterrichtet werden. Dabei erhalten die Bürgerinnen und Bürger (dazu zählen auch Kinder und Jugendliche als Teil der Öffentlichkeit gemäß § 3 Abs. 1 S. 2 BauGB sowie Vereinigungen, die nach dem Umwelt-Rechtsbehelfsgesetz (UmwRG) oder anderen gesetzlichen Vorschriften befugt sind, Rechtsbehelfe nach der Verwaltungsgerichtsordnung einzulegen) die Gelegenheit zur Äußerung und Erörterung. Während der einmonatigen Veröffentlichung im Internet (§ 3 Abs. 2 BauGB) haben die Bürgerinnen und Bürger Gelegenheit, zu den Entwürfen der Bauleitpläne, der Begründung und den wesentlichen, bereits vorliegenden umweltbezogenen Stellungnahmen selbst Stellung zu nehmen (s. a. Kapitel 5.2.1 Abb. 6 Mögliches Ablaufschema zum Bauleitplanverfahren nach BauGB). Nähere Informationen zur Veröffentlichung, zu entsprechenden Fristen und zur datenschutzrechtlichen Informationspflicht im Bauleitplanverfahren sind in Kapitel 5.2.5 Frühzeitige Beteiligung der Öffentlichkeit und 5.2.9 Veröffentlichung im Internet aufgeführt.

Abweichungs- und Alternativmöglichkeiten bestehen bei den besonderen Verfahrensarten des vereinfachten Verfahren gemäß § 13 BauGB sowie des beschleunigten Verfahrens gemäß § 13a BauGB. Für noch nach dem mittlerweile aufgehobenen §13b BauGB begonnene bzw. abgeschlossene Bebauungsplanverfahren galten bis 31.12.2024 Abweichungsmöglichkeiten nur unter Maßgabe der "Reparaturvorschrift" des § 215a Abs. 3 BauGB.

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2Informelle Formen der Bürgerbeteiligung

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Über die gesetzlichen Regelungen hinaus gibt es eine Vielzahl weiterer, sogenannter „informeller“ Möglichkeiten, die Bürgerinnen und Bürger an Planungen zu beteiligen. Die Kommune ist bei diesen in der Wahl der Form, des Ablaufs, des Inhalts und der Zielsetzungen frei. Qualitativ und quantitativ mehr Öffentlichkeitsbeteiligung anzubieten, ist grundsätzlich zu empfehlen, wobei sich deren Umfang an der Bedeutung und Komplexität der jeweiligen Planungsaufgabe orientieren sollte. Kooperatives Handeln und Transparenz sind in einer aktiven Bürgergesellschaft wichtige Bestandteile bei der Planung und Umsetzung städtebaulicher Projekte. Diese intensiveren Formen der Öffentlichkeitsbeteiligung können erhebliche Vorteile mit sich bringen. Eine möglichst frühzeitige Einbindung der betroffenen Menschen kann aufschluss- und hilfreiches Wissen der Bürgerschaft vor Ort generieren, die Akzeptanz für das jeweilige Projekt stärken, Konflikte im Vorfeld bereinigen und eine kooperative Atmosphäre schaffen.

Strategien in der Siedlungsentwicklung sollen langfristig und dauerhaft die Lebensqualität und das Umfeld der Bürgerinnen und Bürger sichern und verbessern. Städtebauliche Planungen müssen von der Öffentlichkeit daher entscheidend mitentwickelt und mitgetragen werden. Leitbildprozesse, Planungswerkstätten, Bürgerbefragungen und andere Formen der Beteiligung sind Möglichkeiten, um das Interesse einer breiten Bürgerschaft an einer Mitwirkung zu wecken. Abhängig von der jeweiligen Zielsetzung und den zu beteiligenden Gruppen sind geeignete Beteiligungsmethoden zu wählen und miteinander zu kombinieren. Ergänzend birgt die verstärkte Nutzung digitaler Instrumente wie eine Informations- oder Kommunikationsplattform vielfältige Möglichkeiten, die Akteure vor Ort besser zu informieren und enger in Verfahren einzubinden.

Bürgerbeteiligung ist nie nur ein Selbstzweck. Schon in der Vorbereitung muss feststehen, was mit den zu erwartenden Ergebnissen im weiteren Planungsprozess geschehen soll. So ist es beispielsweise empfehlenswert, im Vorfeld eines Wettbewerbs die Bürgerinnen und Bürger einzubeziehen und die Ergebnisse der Bürgerbeteiligung im Auslobungstext zu berücksichtigen. Bei umfassenden Beteiligungsverfahren können die Ergebnisse, z. B. in Form eines Bürgergutachtens, zusammengefasst und festgehalten und als zusätzliche Planungsgrundlage in das weitere Verfahren eingebunden werden.

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3Empfehlungen zur Durchführung

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Ergänzende informelle Formen der Bürgerbeteiligung eignen sich sowohl für großräumige, strategische Planungen, wie beispielsweise in der Stadtentwicklung, als auch für konkrete Vorhaben in der Stadtplanung.

Unabhängig von der Größe der Planungsaufgabe basiert erfolgreiche Bürgerbeteiligung immer auf einem maßgeschneiderten Beteiligungskonzept, das die Besonderheiten der jeweiligen Gemeinde (wie z. B. Größe, Lage, individuelle Herausforderungen und Chancen) sowie die konkreten Ziele und Anforderung der Planungsaufgabe berücksichtigt.

Zielführend ist es, den Beteiligungsprozess am Ablauf der städtebaulichen Planung zu orientieren und so einen Fahrplan für die Beteiligung und die begleitende Information- und Kommunikation zu entwickeln. Die gezielte Wahl der Zeitpunkte für die einzelnen Beteiligungsangebote, des Kreises der Angesprochenen und für sie geeigneten Methoden in Verbindung mit einer fortlaufenden und konsequenten Informationsstrategie tragen entscheidend zum Erfolg des Verfahrens bei. Die Transparenz des gesamten Verfahrens, die Nachvollziehbarkeit der getroffenen Entscheidungen und das „Sich-Wiederfinden“ der Beteiligten im Endergebnis sind gleichfalls wichtige Faktoren. Ziel ist dabei immer, in einem ergebnisoffenen Verfahren zu einem gemeinsam getragenen Ergebnis zu gelangen.

Neben der Bürgerschaft können auch weitere Interessensgruppen und Betroffene wie z. B. Fachstellen und Institutionen, Vertreterinnen und Vertreter der Stadtpolitik, der Behinderten, der Seniorenbeiräte sowie Vereine und Initiativen in den Beteiligungsprozess eingebunden werden. Bei Planungen, die private Grundstücke und Gebäude betreffen, ist die frühzeitige Einbindung der Eigentümerinnen und Eigentümer ratsam. Durch frühzeitige Information und Beteiligung am Planungsprozess haben Projekte eine bessere Chance, später tatsächlich umgesetzt zu werden.

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4Leitfaden Bürgerbeteiligung

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Das Arbeitsblatt „Bürgerbeteiligung im Städtebau – Ein Leitfaden“, das 2019 vom Bayerischen Staatsministerium für Wohnen, Bau und Verkehr veröffentlicht wurde, unterstützt bei der schrittweisen Erarbeitung eines individuellen Beteiligungskonzepts für eine konkrete städtebauliche Planung. Es zeigt unterschiedliche Möglichkeiten von Beteiligungsformen und -konzepten praxisnah auf und wie diese bei typischen städtebaulichen Instrumenten und Verfahren verwendet werden können. Mit diesem Nachschlagewerk werden Städte, Gemeinden sowie Planende dabei unterstützt, den bestmöglichen Weg zum Austausch mit den Bürgerinnen und Bürgern bei Projekten der Ortsentwicklung zu finden. Eine Kurzinformation steht auch unter www.buergerbeteiligung-staedtebau.bayern.de zur Verfügung.